Zwei Bisonkälber finden Ammenkuh

Nachdem im Zoo Osnabrück Bisonkuh Gwenda völlig überraschend letzte Woche verstarb, blieben zwei Bisonkälber ohne Muttertier und damit ohne Milch zurück. Die Verantwortlichen versuchen alles, um die Jungtiere zu retten, nach einigen Hürden scheinen sie jetzt vorerst versorgt zu sein.

„Zunächst muss man wissen, dass Waldbisons Wildtiere sind. Anders als bei Hausrindern ist es sehr viel schwieriger, mit ihnen umzugehen, auch wenn sie an ihre Tierpfleger gewöhnt sind. Die in dieser Situation notwendige Nähe zu den Tieren ist auch mit einem Risiko für uns behaftet“, berichtet Tobias Klumpe, als zoologischer Leiter zuständig für den Bereich „Manitoba“ im Zoo Osnabrück, wo die Waldbisons wohnen. „Allein die Bisonkälber in der Anlage im Stall zu separieren, war schon sehr schwierig. Als wir das geschafft hatten, konnten wir uns ihnen aber kaum nähern, ohne dass sie in Panik gerieten. So wurde uns klar, dass eine Flaschenaufzucht eine große Herausforderung werden würde.“ Also beriet sich das Team weiter – auch mit Kollegen aus dem Tierpark Nordhorn, wo es schon einmal einen ähnlichen Fall gab. Schließlich stand der Plan eine Ammenkuh zu finden, die die beiden Bisonkälber versorgen würde. Das konnte allerdings nur eine normale Milchkuh sein, da es sehr selten ist, dass Bisonkühe fremde Kälber übernehmen. „Diese Lösung ist allerdings auch nicht einfach, denn die Tiere kommunizieren tatsächlich anders, auch wenn beides Rinder sind. Aber es war die einzige Chance. Zum Glück erklärte sich ein landwirtschaftlicher Betrieb in der Osnabrücker Region dazu bereit, die Bisonkälber zu nehmen und eine Milchkuh zu den beiden zu stellen“, berichtet Klumpe weiter.

Schwieriger Start mit Ammenkuh

Doch auch hier wollte der Plan zunächst nicht aufgehen, weder die Milchkuh noch die Bisonjungtiere schienen glücklich über die neue Familienzusammenstellung zu sein. „Nach ein, zwei Tagen haben sie sich aber doch noch angenähert. Inzwischen trinken die Kälber bei der Kuh und sie lässt sie gewähren. Nun müssen wir schauen, wie sie die Milch vertragen, denn die Zusammensetzung ist anders“, so Zootierarzt Thomas Scheibe. Aber es sehe ganz gut aus. Ein paar Wochen sollen die Bisonkälber nun in dem Stall bleiben und nach und nach auch an festes Futter gewöhnt werden. Eigentlich werden Kälber circa sechs Monate gesäugt, hier müsse man schauen, wie sich die Jungtiere entwickeln und wie sie die Milch vertragen. Wie es danach weitergeht, sei auch noch fraglich, so der Zootierarzt: „Entweder versuchen wir sie nochmal in unsere Herde einzugewöhnen oder wir geben sie wie mittelfristig eh notwendig direkt an einen anderen Zoo oder Wildpark ab. Das klären wir in den nächsten Wochen – jetzt sind wir erstmal froh, dass die Jungtiere vorerst versorgt sind.“

Die beiden Bisonkälber kamen Anfang und Mitte Mai im Zoo Osnabrück zur Welt. Mutterkuh Eliza konnte aufgrund einer Euterentzündung ihr Junges nicht versorgen, sodass die nun verstorbene Gwenda beide Jungtiere säugte. Warum Gwenda so plötzlich verstarb, konnte bislang noch nicht geklärt werden, die Untersuchung der Pathologie der Tierärztlichen Hochschule in Hannover ist noch nicht abgeschlossen.


Wissenswertes über den Waldbison (Bison Bison Athabascae)

Während der Präriebison in den Weiten der Grassteppen Nordamerikas zuhause ist, beschränkt sich das Vorkommen des Waldbisons auf einige Teile von Alaska und Kanada. Sie halten sich bevorzugt in Waldgebieten auf, sind aber keine reinen Waldbewohner. Ihre Nahrung besteht aus Laub, Zweigen und Rinde, aber auch aus Flechten, Kräutern und Gräsern. Wie alle Rinderartigen sind auch die Bisons Wiederkäuer. Waldbisons leben in Herden, die allerdings deutlich kleiner sind als die der Präriebisons und nur aus einigen Kühen mit ihrem Nachwuchs bestehen. Die Bullen leben am Rande dieser Gruppen. Waldbisons können etwa 30 Jahre alt werden. Die Tiere können bis zu 50 km/h schnell werden, obwohl die Bullen fast eine Tonne Gewicht auf die Waage bringen. Bei der Geburt wiegt ein Kalb zwischen 20 und 30 Kilogramm. 1957 wurde die letzte reinblütige Herde Waldbisons in Kanada entdeckt und unter Schutz gestellt. Rund 50 Jahre später war der Bestand wieder auf etwa 3.000 Tiere gewachsen. Heute gilt die Tierart als „potenziell gefährdet“.