Sorge um Elefant Minh-Tan

Innerhalb der Zoowelt ist es gefürchtet: das Herpesvirus bei Asiatischen Jungelefanten. Denn diese Infektion ist lebensbedrohlich für die Tiere, die in jungen Jahren noch nicht über Antikörperschutz verfügen. Im Zoo Osnabrück ist nun der fast fünfjährige Bulle Minh-Tan betroffen. Die Zoomitarbeiter geben alles für die bestmögliche Behandlung des Tieres, die jedoch Herausforderungen birgt.

„Für uns war die Diagnose am Montagabend ein großer Schock“, berichtet Andreas Wulftange, Zoologische Leitung im Zoo Osnabrück und zuständig für die fünf Asiatischen Elefanten. „Wir hatten Minh-Tan erst vor zwei Wochen auf andere Krankheitserreger testen lassen, da er bald in eine Junggesellengruppe in einen anderen Zoo umziehen sollte. Er kommt nun in das Rüpel-Alter, in dem auch die Elefanten in der Natur die Mutterherde verlassen und sich mit anderen Jungbullen zusammentun.“ Nun zeigte Minh-Tan erste Symptome einer Erkrankung mit kleinen Blutungen im Maul, sodass die Zootierärzte Thomas Scheibe und Jannis Göttling sofort einen erneuten Bluttest veranlassten. Dieses Mal fiel er positiv auf Herpesviren aus. „Das bedeutet für uns nun quasi eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung, denn bei einer Herpes-Infektion handelt es sich um eine sehr ernstzunehmende Erkrankung unter Asiatischen Elefanten“, so Göttling. „Wir haben sofort die notwendigen antiviralen Medikamente verabreicht, die sehr kostspielig sind. Zusätzlich erhält Minh-Tan regelmäßige Flüssigkeitszufuhr und nach Möglichkeit Blutplasma-Transfusionen von anderen Elefanten, die bereits Antikörper gebildet haben.“ Die Behandlung ist in etwa einem Drittel der Fälle erfolgreich. Auch in der Wildbahn erkranken Tiere an dem Virus, dass es bereits seit der Entstehung der Tierart gibt und keine Zookrankheit ist.

Behandlung mit vielen Herausforderungen

Bei der intensiven Behandlung scheut das Zooteam keine Mühen und Fahrtwege zu anderen Zoos, dennoch müssen die Mitarbeiter mit vielen Herausforderungen kämpfen: „Medikamente und Flüssigkeit werden rektal verabreicht, sodass eine Sedierung notwendig ist. Per Schlauch werden bis zu 40 Liter Wasser eingeführt, damit das Tier nicht austrocknet“, erläutert Göttling. „Bei der Plasmatransfusion ist sowohl die Gewinnung des Blutes mit Antikörpern als auch die Verabreichung eine Herausforderung. Wir arbeiten hier mit dem Allwetterzoo Münster zusammen, die von einem ihrer Elefanten die passende Menge Blut nehmen konnten. Unsere Elefanten sind grundsätzlich durch das medizinische Training kleinere Blutabnahmen gewöhnt, allerdings dauert bei der aktuellen Behandlung sowohl die Blutabnahme als auch die Transfusion länger. Deswegen ist auch eine Sedierung notwendig.“ Bei der Behandlung folgt der Zoo Osnabrück einem genau festgelegten wissenschaftlichen Leitfaden für Erkrankungen mit dem Herpesvirus. Aktuell geht es dem Patienten noch den Umständen entsprechend gut, aber das kann sich bei einer Herpes-Infektion innerhalb weniger Tage ändern. Das Virus kann zahllose kleine Blutungen unter anderem im Dünndarm und im Herzen verursachen.

Was ist mit den anderen Elefanten?

Den anderen Elefanten Leitkuh Douanita, Tochter Sita, Nachwuchs Yaro und Bulle Luka geht es soweit gut. „Sehr wahrscheinlich haben sich die Tiere angesteckt, aber wir gehen davon aus, dass die Krankheit bei ihnen nicht ausbricht. Douanita hat im Laufe ihres Lebens bereits genug Antikörper gebildet, die sie über die Muttermilch auch an Yaro weitergibt, sodass er geschützt ist. Sita ist hoffentlich bereits alt genug, damit das Immunsystem entsprechend reagieren kann. Bulle Luka ist auch schon früher mit dem Virus in Kontakt gekommen und hat entsprechende Antikörper gebildet. Deswegen sind wir erstmal zuversichtlich“, so Zootierarzt Göttling. Die nächsten Tage werden im Elefantenrevier im Zoo Osnabrück für das Team aus Zootierpflegern, Zootierärzten und Zoologischer Leitung sehr kräftezehrend. „Aber für uns ist klar, dass wir alles uns mögliche für Minh-Tan tun werden“, betont Biologe Wulftange. So muss auch täglich eine Blutprobe in ein spezielles Labor im Zoo Rotterdam gebracht werden, um den Verlauf der Krankheit zu untersuchen. Dafür hat das Team inzwischen bereits ein Charterflugzeug beauftragt.

Die Behandlung von Minh-Tan kostet etwa zwei- bis dreitausend Euro pro Tag und wird mindestens zehn Tage dauern. Der Zoo Osnabrück ist deshalb über jede Unterstützung dankbar. Spenden können online unter dem Verwendungszweck "Behandlung Minh-Tan" entgegengenommen werden. Damit das Team in Ruhe arbeiten kann, bleibt das Elefantenhaus, in dem Minh-Tan behandelt wird, nun vorerst geschlossen. Die übrigen Elefanten sind meistens auf den Außenanlagen zu sehen. Menschen sind durch das spezielle Elefanten-Herpesvirus nicht gefährdet, da jede Säugetierart eigene Herpesviren hat.


 

Wissenswertes zu Herpesviren bei Elefanten

Elefanten sind vom sogenannten Endotheliotropen Elefanten Herpesvirus betroffen. Jede Säugetierart hat spezifische Herpes-Erreger. Selbst Asiatische und Afrikanische Elefanten haben unterschiedliche Virustypen. Elefanten können Träger sein, ohne zu erkranken. Meistens sind Jungtiere bis zum 9. Lebensjahr von ernsthaften Krankheitsverläufen betroffen.

Herpes ist keine Zookankheit. Die Herpesviren der Elefanten setzten sich etwa zeitgleich von allen anderen Herpesviren ab, als die Elefanten sich von anderen Säugetierarten abspalteten. Auch in der Wildbahn sind Erkrankungsfälle bekannt. Das Virus verursacht zahllose kleine, aber in der Summe massive Blutungen im gesamten Gefäßsystem, einschließlich des Dünndarms und des Herzens.

Elefanten können nicht gegen Herpes geimpft werden, da die Herpesviren noch nicht klassifiziert und sich noch nicht züchten lassen, wodurch die Forschung zur Entwicklung eines Impfstoffs erschwert wird. Die Universität Utrecht forscht an der Entwicklung eines Impfstoffs.

Die Krankheit kann mit dem schnellen Einsatz von antiviralen Medikamenten behandelt werden, aber dies ist nur bei rund einem Drittel der Fälle erfolgreich.

Quellen: Verband der Zoologischen Gärten, Universität Zürich