Stachelig & weich: Nachwuchs im Zoo

Stacheln oder flauschiges Fell? Eher gemütlich liegen oder gemütlich getragen werden? Die Kinderstube bei verschiedenen Tierarten sieht ganz unterschiedlich aus. Das können zurzeit auch die Besucher im Zoo Osnabrück beobachten, denn in vielen Tierwelten gibt es Nachwuchs zu vermelden: zum Beispiel bei den Totenkopfaffen und erstmals bei den Baumstachlern.

Schummriges, bläuliches „Mondlicht“ scheint im Stall der nachtaktiven Baumstachler. Wenn Besucher in der neuen Nordamerika-Tierwelt „Manitoba“ durch die runden Fenster schauen, müssen sich die Augen erst ein wenig an die Dunkelheit gewöhnen. Dann aber können sie hier seit kurzem den kleinen Matthias entdecken, der meistens schlummernd auf einer Baumwurzel liegt. Das dunkle Stachelkleid des Jungtieres steht in alle Richtungen ab, er hat kleine schwarze Augen und eine große Nase: „Das Jungtier sieht sehr niedlich und fluffig aus – man möchte ihn am liebsten knuddeln. Das geht aber natürlich nicht. Denn das, was aussieht wie ein wuscheliges Fell, sind tausende Stacheln, die bereits jetzt unangenehm piksen würden“, schmunzelt Tanja Boss, Tierpflegerin und Revierleiterin in „Manitoba“. Direkt nach der Geburt sind die Stacheln noch etwas weicher, härten aber schnell aus. Daher müssen Tierarzt und Pfleger den Nachwuchs möglichst früh untersuchen und das Geschlecht ermitteln – bevor es zu unangenehm wird. Das kleine Männchen kam am 27. April zur Welt, wurde einen Tag später direkt untersucht und  - nachdem das Geschlecht feststand – auf den Namen „Matthias“ getauft. „Wir freuen uns natürlich riesig über das Jungtier, es ist schließlich unser erster Nachwuchs bei den Baumstachlern. Sie sind erst im letzten Jahr zu uns gezogen. Wir sammeln Erfahrungen und tauschen uns mit anderen Zoos über die Aufzucht aus, da die Jungtiere recht empfindlich sind“, erklärt Boss. Junge Baumstachler sind direkt nach der Geburt bereits relativ selbstständig und nehmen schon nach wenigen Tagen feste Nahrung zu sich, werden aber noch weiter gesäugt. Zu Beginn liegen sie viel auf Wurzeln und Ästen und schlafen, die Mutter kommt meist nur zum Säugen zu ihrem Zögling. Der Vater kümmert sich hingegen gar nicht um seinen Nachwuchs. Das sei aber ganz normal und das Osnabrücker Männchen Manfred sei sehr ruhig und entspannt – genau wie Mutter Mechtild, verrät Tanja Boss.

 

Immer an „Mamas Rockzipfel“

Ein paar Ecken weiter im „Südamerika-Areal“ kam am 16. April auch ein neuer Zoobewohner auf die Welt: Mit großen Augen schaut sich der kleine Totenkopfaffe um und greift mit seinen langen dünnen Fingern nach allem, was ihm interessant erscheint: „Die Jungtiere sind neugierig und wollen ihre Umwelt kennenlernen, deshalb ertasten sie die verschiedenen Materialien um sich herum und lernen zum Beispiel, was essbar ist und was nicht“, erklärt Tierpflegerin Anja Leimkuhle. Im Gegensatz zu den Baumstachlern kümmern sich die Totenkopfaffen sehr intensiv um ihren Nachwuchs: Das Jungtier ist immer auf dem Rücken mit unterwegs und klammert sich dabei fest mit Armen, Beinen und Schwanz an den Bauch seiner Trägerin. Neben der Mutter kümmern sich auch andere Weibchen, mit denen sich die Mutter gut versteht, um den Nachwuchs: „Manchmal reißen sich die Tiere regelrecht darum, wer das Jungtier tragen darf – da wollen alle gern mal ran“, lacht Leimkuhle. Das hat für die Primaten ganz praktische Gründe: So erlernen die anderen Weibchen in der Gruppe die Jungenaufzucht und sammeln Erfahrungen für ihren eigenen Nachwuchs. Von dem könnte es in der Gruppe im Zoo Osnabrück bald mehr geben, verrät Tierpflegerin Anja Leimkuhle: „Wir rechnen mit weiteren Jungtieren, sodass wir hoffentlich bald einen kleinen Kindergarten bei den Totenkopfaffen beobachten können. Darüber freuen wir uns ganz besonders, da das Männchen Tatti erst 2018 zu uns kam und dies sein erster Nachwuchs ist.“

 

Liegen, trinken und schlafen

Trotz wackeliger Beine wird der Nachwuchs im nordischen „Kajanaland“ nicht getragen, sondern musste direkt nach der Geburt selber laufen: Am 1. Mai wurde hier ein kleines Rentierweibchen geboren und von den Tierpflegern auf den Namen Nala getauft. „Wenn Nala nicht gerade auf wackeligen Beinen der Herde hinterher stakst, liegt sie oft in einer geschützten Ecke und schläft. Die Mutter ist dann meist nicht weit entfernt, um den Nachwuchs im Auge zu behalten und ihn zu säugen“ erzählt Tierpflegerin Melanie Marks. Mit der Zeit wird Nala aktiver, läuft immer häufiger mit der Gruppe mit und wird sich an der ersten festen Nahrung versuchen.

 

Besucher, die noch mehr über die Tiere und ihren Nachwuchs erfahren wollen, können die kommentierten Fütterungen der Zoopädagogen an den Wochenenden und Feiertagen besuchen: Um 12:15 Uhr  berichten diese an der Totenkopfaffenanlage über das Familienleben und um 14:45 Uhr bei den Rentieren. Alle weiteren Programmpunkte und Zeiten sind unter Fütterungen und Kommentierungen  zu finden.

 


Wissenswertes zum Baumstachler/Urson (Erethizon dorsatum)

Baumstachler, auch Ursons genannt, leben hauptsächlich im Mittelwesten und Westen der USA und Nordmexiko sowie in Alaska und Kanada. Sie erreichen eine Körpergröße von etwa 60 bis 70 Zentimetern und sind nach den Bibern die zweitgrößten Nagetiere Nordamerikas. Baumstachler haben etwa 30.000 Stacheln, die bis zu 12 Zentimeter lang werden können. Die Stacheln haben winzige Widerhaken und sind deshalb nur schwer zu entfernen. Baumstachler verbringen die meiste Zeit ihres Lebens in Bäumen und kommen eigentlich nur auf den Boden, um den Baum zu wechseln. Sie sind gute Kletterer mit starken Krallen und unbehaarten Fußsohlen. Die Baumstachelschweine ernähren sich von Blättern, Blüten und Zweigen, Rinde sowie Beeren und Früchten.

 

Wissenswertes zu Bolivianischen Totenkopfaffen (Saimiri boliviensis)

Der bolivianische Totenkopfaffe lebt im westlichen Südamerika: im südlichen Brasilien, östlichen Peru sowie Bolivien. Sie erreichen eine Kopf-Rumpf-Länge von 25 bis 37 Zentimetern, der Schwanz erreicht eine Länge von 37 bis 43 Zentimetern. Totenkopfaffen fressen Gemüse, Pflanzenteile, Insekten und Früchte. Ihre flinken Bewegungen haben ihnen den englischen Namen „squirrel monkey“ („Eichhörnchen-Affe“) eingebracht. In Relation zur Körpergröße haben Totenkopfaffen unter den Primaten das größte Gehirn. Der Osnabrücker Zoo beteiligt sich mit seiner Zuchtgruppe am Europäischen Erhaltungszuchtprogramm für diese Tierart. In menschlicher Obhut können Totenkopfaffen ein Alter von über 30 Jahren erreichen.

 

Wissenswertes zum Rentier (Rangifer tarandus)

Rentiere leben im Sommer in der Taiga und im Winter in der Tundra in Nordeurasien, Nordamerika, Grönland und anderen arktischen Inseln. Die Natur hat das Ren mit vortrefflichen Eigenschaften ausgestattet, um das Klima arktischer und subarktischer Zonen gut zu überstehen. Es besitzt ein sehr dichtes Haarkleid. Auf den ungewöhnlich breiten, zweigespaltenen Hufen, natürlichen Schneetellern, eilt das Ren fast schwerelos über den sumpfigen Boden oder tiefen Schnee. Dabei ist ein eigentümliches Knacken im Fußbereich zu hören. Lange Zeit wurde angenommen, dass die Hufe aneinander schlagen würden. Das typische Geräusch wird jedoch durch eine besondere Aufhängung von Sehnen im Fußbereich hervorgerufen. Eine weitere Besonderheit: Rentiere sind die einzige Hirschart, bei welcher beide Geschlechter ein Geweih besitzen, wobei das des Männchens wuchtiger und stärker ausgebildet ist. Es ist der einzige von Menschen als "Haustier" gehaltene Hirsch. Neben Milch mit 22 Prozent Fettgehalt – Kuhmilch hat lediglich circa fünf Prozent – liefert das Ren Fleisch und Häute.