Gewissheit: Minh-Tan hat es geschafft

Was sich für manche zunächst unspektakulär anhören mag, ist in der Elefantenwelt eine kleine Sensation: Jungelefant Minh-Tan im Zoo Osnabrück ist nach einer Herpes-Virus-Infektion genesen. Doch junge Elefanten überleben die Erkrankung meistens nicht. Deswegen ist die Genesung, die nun durch neue Blutergebnisse belegt ist, ein Grund zum Feiern – und das Ergebnis einer intensiven, rund um die Uhr Betreuung.

Am 30. Mai traf die Hiobsbotschaft im Zoo Osnabrück ein, dass der fast fünfjährige Elefant Minh-Tan an Herpes erkrankt ist. Eine Einblutung an der Zunge hatte die Tierpfleger am Morgen misstrauisch gemacht, daraufhin schickten die Zootierärzte eine Blutprobe an den Zoo Rotterdam zur genaueren Untersuchung. „Das Ergebnis war für uns alle ein Schock, schließlich kennen wir die Prognosen: Etwa zwei Drittel der betroffenen Jungelefanten überleben die Erkrankung nicht. Wir haben sofort mit einer intensiven Behandlung nach den entsprechenden Leitlinien begonnen“, erläutert Zootierarzt Thomas Scheibe. Diese beinhalten Blutplasmatransfusionen von genesenen Elefanten mit den entsprechenden Antikörpern sowie antivirale Medikamente und Flüssigkeitszufuhr. Sowohl für Minh-Tan als auch für das Team bedeutete dies ein umfangreiches Programm, denn für die Transfusionen und für die Flüssigkeitszufuhr musste Minh-Tan sediert werden: „Wir waren Tag und Nacht bei ihm und haben ihn etwa alle vier bis sechs Stunden behandelt. Da Transfusionen bei Elefanten sehr herausfordernd und langwierig sind, war das ein großer Akt, bei dem wir zum Glück zahlreiche Hilfe in allen Bereichen hatten“, freut sich Göttling.

Unterstützung aus Zoos und anderen Einrichtungen

So reiste am dritten Tag Kollege Tim Bouts aus dem Zoo Pairi Daiza in Belgien an, der bereits mehrere an Herpes erkrankte Elefanten teilweise erfolgreich behandelt hatte. Zusätzlich kam Kollegin Julia Bohner vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung Berlin, sehr erfahren in der Narkose von Großsäugern. Hilfe kam auch aus dem Allwetterzoo Münster, wo drei Tierärzte, zwei Biologen und drei Tierpfleger Blut von der Elefantenkuh Corny für das Blutplasma nahmen. Corny sowie auch Bulle Luka aus dem Zoo Osnabrück waren bereits an dem gleichen Herpesvirus erkrankt wie Minh-Tan und lieferten entsprechend perfekte Antikörper. Zusätzlich unterstützen die Osnabrücker Tierpfleger unermüdlich bei der Arbeit der Tierärzte, unterbrachen ihren Urlaub und zogen für mehrere Tage in die Gästewohnungen des Zoos ein. Weitere Kollegen fuhren weite Strecken zu Laboren in Belgien oder den Niederlanden, sammelten von Tierarztpraxen im Radius von 150 Kilometern immer wieder das passende Equipment ein und Versandfirmen stellten ganze Sendungen zurück, um die benötigte Ausstattung für Minh-Tan als erstes in die Post zu geben. „Wir können gar nicht ausdrücken, wie dankbar wir für die unendliche Unterstützung sind – sowohl im Zoo als auch aus anderen Einrichtungen, ob mit Spenden, Wissen, medizinischem Equipment oder Brötchen und Kaffee“, betonte Andreas Wulftange, zoologischer Leiter im Zoo Osnabrück und zuständig für die Asiatischen Elefanten. „Ohne die Unterstützung und auch einen willensstarken Minh-Tan hätten wir es bestimmt nicht geschafft. Da Minh-Tan der erste hier am Schölerberg geborene Elefant ist, liegt er uns doch ganz besonders am Herzen. Und er hat schon einen tollen Charakter, auch wenn Minh-Tan zurzeit aufgrund seines Alters ein wenig rüpelig daher kommt.“

Entwarnung: Minh-Tan ist über den Berg

Am Freitagnachmittag, etwa vier Wochen nach der Erkrankung kam nun endlich die endgültige Bestätigung, dass Minh-Tan über den Berg ist: „Die Viruslast im Blut liegt unter dem Grenzwert. Das zeigt ganz klar an, dass er es geschafft hat, auch wenn er zurzeit wie erwartet noch Viren über den Rüssel ausscheidet. Aber wir sind einfach nur zufrieden und glücklich“, betont Tierarzt Thomas Scheibe. „Wir haben auf jeden Fall weitere wichtige Erkenntnisse über die wenig erforschte Krankheit gewinnen können, die wir natürlich mit der gesamten Zoowelt teilen. Dennoch verläuft diese Krankheit bei jedem Elefanten recht unterschiedlich“, betont Göttling. Minh-Tan bleibt vorerst weiterhin unter tierärztlicher Kontrolle.

Von dem ersten in Osnabrück geborenen Elefantenbullen müssen sich die Besucher und die Tierpfleger dennoch bald verabschieden: „Minh-Tan ist nun leider in einem Alter, in dem er die Muttergruppe verlassen muss und dafür mit gleichaltrigen Jungbullen zusammenkommt. So kann er seine Kräfte messen und viel lernen. In der Natur verlassen die Jungbullen auch nach einiger Zeit ihre Muttergruppen“, erläutert Wulftange. Voraussichtlich wird Minh-Tan den Zoo Osnabrück noch im Juli verlassen. Wann es Zeit wird sich zu verabschieden und in welchen Zoo der tapfere Jungbulle gehen wird, gibt der Zoo noch bekannt.