„Dayang“ komplettiert Orang-Utan-Gruppe

Zuwachs bei den Osnabrücker Orang-Utans: Am gestrigen Dienstag zog Orang-Utan-Weibchen Dayang aus dem niederländischen Apeldoorn in den Zoo Osnabrück. In den nächsten Wochen wird Dayang Schritt für Schritt ihre drei Artgenossen sowie ihre Mitbewohner, die Weißwangenschopfgibbons, kennenlernen. 

„Gestern Mittag gegen 13 Uhr kam das Borneo Orang-Utan-Weibchen bei uns an“, berichtet Tobias Klumpe, wissenschaftlicher Kurator im Zoo Osnabrück. Bislang lebte der 12-jährige Menschenaffe im „Apenheul Primate Park“ im niederländischen Apeldoorn. Nach einer rund zweistündigen Fahrt kam Dayang am Schölerberg an. Schnell kletterte sie aus der Transportbox in das rechte Innengehege im „Orang-Utan-Dschungeltempel“. Mit ihren langen Armen schwang Dayang sich an den dicken Seilen durch die Anlage und nahm sie von der Plattform des Klettergerüsts aus in Augenschein.

 

Eine Tierpflegerin aus dem Apenheul Primate Park wird die nächsten Tage nach dem Umzug des Menschenaffen die Kollegen im Zoo Osnabrück unterstützen. „So sieht Dayang noch ein bekanntes Gesicht und die Tierpflegerin kann uns außerdem mit ‚Insider-Infos‘ zu Dayang helfen – von Futtervorlieben bis hin zu bestimmten Verhaltensmustern“, erklärt der Biologe. Dayang habe einen eher ruhigen und zurückhaltenden Charakter. Beobachten konnte Klumpe dies schon gemeinsam mit dem Leiter des Osnabrücker Affenreviers Dirk Wieferich bei einem Besuch in Apeldoorn vor einigen Wochen, bei dem sie sich mit den Tierpflegern austauschten und Dayang kennenlernten. „Ich habe sie als abwartend und eher etwas unsicher erlebt – aber wenn sie etwas macht, dann sehr bestimmt“, so Klumpe.

 

Nachwuchs wichtig für Arterhalt

Mit Dayang leben nun vier Orang-Utans im Zoo Osnabrück. Der Koordinator des Europäischen Erhaltungszuchtprogramms für Orang-Utans, der die wissenschaftliche Nachzucht in europäischen Zoos koordiniert, hatte den Zoo Osnabrück gebeten zusätzlich zu den Osnabrücker Orang-Utans Buschi und Astrid Dayang sowie ein Männchen aufzunehmen. Hintergrund sei, dass sich die Situation der Orang-Utans in der Wildbahn dramatisch entwickelt habe, wie Zoodirektor Prof. Michael Böer erklärt: „Sowohl der Borneo- als auch der Sumatra-Orang-Utan gelten als ‚vom Aussterben bedroht‘ – das ist die letzte Stufe vor ‚in der Wildbahn ausgestorben‘. Durch die Lebensraumzerstörung sinkt der Bestand bedrohlich und die Aufgabe von Zoos ist es, durch Nachzucht eine stabile Population unabhängig von der Entwicklung in der Wildbahn aufzubauen.“ So kam Ende November 2017 bereits das 14-jährige Männchen Damai aus dem ungarischen Zoo Sóstó an den Schölerberg. Dayang hingegen sollte noch bis zu diesem Frühjahr in Apeldoorn bleiben, wie Tobias Klumpe berichtet: „Dayangs Halbschwester hatte Nachwuchs bekommen und daher sollte Dayang die Jungenaufzucht beobachten und daraus lernen – so ist das auch in der Wildbahn bei Orang-Utans üblich.“ Ziel sei es, dass Dayang und Damai sich gut verstehen und langfristig auch Nachwuchs bekommen.

 

Kennenlernen Schritt für Schritt

Doch bis es so weit ist, muss Dayang die Osnabrücker Orang-Utans Buschi, Astrid und Damai sowie die Weißwangenschopfgibbons, die mit den Orang-Utans zusammenleben, erst einmal schrittweise kennenlernen. „Wir entscheiden individuell und je nach Verhalten der Tiere, wie wir weiter vorgehen. Jetzt ist Dayang zunächst in einem separaten Bereich. Im zweiten Schritt soll sie Damai über ein Kontaktgitter kennenlernen – verstehen sie sich gut, lassen wir sie auch zusammen“, erklärt Klumpe. Später werde Dayang dann Buschi und Astrid über das Kontaktgitter kennenlernen. Die Eingewöhnung wird vom Fachteam des Zoos in Kooperation mit der Universität Osnabrück, Arbeitsgruppe Ethologie, Prof. Chadi Touma, und der Freien Universität Berlin, Arbeitsgruppe Vergleichende Entwicklungspsychologie, Dr. Linda Ona, sowie dem Veterinäramt wissenschaftlich begleitet. So beobachten Studenten die vier Orang-Utans sowie die Weißwangenschopfgibbons täglich für mehrere Stunden im Rahmen wissenschaftlich fundierter Arbeiten und protokollieren ihr Verhalten, um so eine fundierte Basis für die nächsten Entscheidungen zu haben. Außerdem nehmen die Tierpfleger regelmäßig Kotproben der Primaten, um neben den Beobachtungen auch physiologische Daten zu erheben.

 

Zunächst wird der „Orang-Utan Dschungeltempel“ für Besucher geschlossen bleiben, damit Dayang in Ruhe ihr neues Zuhause erkunden kann. Buschi und Astrid werden diese Zeit überwiegend in der „Loggia“ neben der Elefantenanlage sowie dem danebenliegenden Außenbereich verbringen. Dort können Besucher sie durch große Glasscheiben gut beobachten. Damai wird ebenfalls regelmäßig im rechten Außenbereich, der direkt neben dem Eingang in den „Orang-Utan-Dschungeltempel“ liegt, zu sehen sein. „Wir hoffen, dass wir den ‚Orang-Utan Dschungeltempel‘ ab Mai wieder für Besucher öffnen können. Dann können sie Dayang willkommen heißen“, so Klumpe.

 

Wissenswertes zu Orang-Utans (Pongo)

Es gibt zwei Unterarten des Orang-Utans: den Borneo Orang-Utan und den Sumatra Orang-Utan. Die Menschenaffen erreichen eine Kopf-Rumpf-Länge von 100 bis 150 Zentimetern und eine Standhöhe von 110 bis 140 Zentimetern. Sie wiegen zwischen 30 und 100 Kilogramm. Der Name „Orang-Utan“ leitet sich ab aus dem Malaiischen und bedeutet so viel wie „Waldmensch“. Das lange Fell der Menschenaffen ist ein Schutz gegen Regen.

Orang-Utans sind vom Aussterben bedroht – der Sumatra Orang-Utan bereits seit 2000, der Borneo Orang-Utan seit 2016. Der Bestand schwindet: Zwischen 1950 und 2010 ist die Anzahl der in der Wildbahn lebenden Borneo-Orang-Utans um 60 Prozent geschrumpft. Durch den Menschen wird der Lebensraum der Menschenaffen, der Regenwald, zerstört und zudem werden Jungtiere für den Handel gefangen.

 

Hintergrund Osnabrücker Orang-Utans

Orang-Utan Buschi wurde 1971 im Zoo Osnabrück geboren – er war der erste Menschenaffe, der am Schölerberg zur Welt kam. Seine Mutter Suma nahm ihn nicht an, weshalb er von Krankenschwestern des Kinderhospitals versorgt wurde. Buschi ist ein Hybrid aus Borneo- und Sumatra-Orang-Utan. Da dies unterschiedliche Unterarten sind, darf zur Arterhaltung mit ihm nicht gezüchtet werden. Weibchen Astrid wurde 1983 im Zoo Rotterdam geboren. Seit 2007 lebt sie gemeinsam mit Buschi in Osnabrück. Ihr Zuhause, der „Dschungeltempel“, wurde für 1,4 Millionen Euro umgebaut und deutlich vergrößert. Der Umbau wurde 2017 abgeschlossen.